Horsemanship mit Hengsten        

Eine Faszination für Hengste entstand bei vielen von uns schon im Kindesalter. Wir lasen "Blitz" von Walter Farley, und es ist verständlich, dass unser Traumpferd von da an ein Hengst wie dieser war.

Wir freuten uns auf "Fury" im Fernsehen und staunten über die Kunststücke der Lippizaner-Hengste im Zirkus. Je öfter wir diese Pferde sahen, desto mehr begannen wir, das Bild des Hengstes zu verherrlichen, und viele von uns träumten davon, selbst einmal einen zu besitzen. Aber bevor man sich entschliesst, einen Hengst zu kaufen oder nicht kastrieren zu lassen, ist es unbedingt nötig, die Realität des täglichen Umgangs mit einem Hengst zu kennen und zu verstehen.


Eigenschaften von Hengsten

Um Hengste zu verstehen, sollte man darüber nachdenken, wie Pferde in der Wildnis leben und wie sie sich dort verhalten. Die Fohlen werden in eine Herde hinein geboren, wo viele Stuten zusammen eine Gruppe bilden und von einem erwachsenen Hengst bewacht und beschützt werden. Die männlichen Jungtiere trennen sich im Laufe ihrer Jugend von der Herde und tun sich zu einer eigenen "Junggesellen"-Gruppe zusammen.

Einmal erwachsen verlässt der eine oder andere Hengst diese Gruppe, um sich ein paar Stuten zu erobern und eine eigene Herde zu gründen. Ist dies geschehen, wird er von da an alle "seine" Stuten decken und vor anderen Hengsten beschützen. Diese Lebensweise zeigt, dass Hengste geboren werden, um zwei Funktionen zu erfüllen, nämlich sich zu vermehren und zu kämpfen.


Hengsteigenschaften in sinnvolle Bahnen lenken

Weder die eine noch die andere dieser beiden Charakteristiken sind bei einem Leistungspferd gefragt. Die Herausforderung bei der Arbeit mit Hengsten besteht nun darin, seine natürlichen Reaktionen zu kontrollieren und seine Energie in für uns sinnvolle Bahnen zu lenken. Wir müssen den Hengst zur Leistung motivieren, ohne seinen Instinkt, zu kämpfen, heraufzubeschwören. Und das Fehlen gerade dieses Gefühls hat schon zu unzähligen traurigen Geschichten geführt über bösartige Hengste und äusserst grausame Praktiken, um deren natürliches Benehmen zu kontrollieren.

Eine weitere Beobachtung bei wildlebenden Pferden kann uns ebenfalls sehr nützlich sein: Junge Hengste (und nicht nur Hengste) ordnen sich innerhalb der Herde den älteren Pferden grundsätzlich unter. Als "Junggesellen" kämpfen sie später untereinander mitunter recht hart. Je stärker und älter sie werden, desto mehr versuchen sie, andere Pferde in ihrer Rangordnung herauszufordern. Viele Leute verstehen gerade diesen Punkt nicht und wundern sich, wenn ihr sechsjähriger Hengst plötzlich schwer zu kontrollieren ist, wo er doch früher so süss und anhänglich war.

Tatsache ist, dass Hengste mit zunehmendem Alter immer streitlustiger werden. Und es zeugt von Unerfahrenheit, wenn ein Hengst nicht kastriert werden soll, nur weil er als Zweijähriger so lieb war. Nur ein solides und vor allen Dingen konsequentes Training ist imstande, jene Liebenswürdigkeit bis ins hohe Alter des Hengstes zu erhalten.


Hengste verlangen mehr Aufmerksamkeit

Einer der wichtigsten Faktoren im Umgang mit Hengsten ist ihr Verlangen nach mehr Aufmerksamkeit und Beschäftigung und mehr physischem Kontakt als dies Wallache und Stuten erfordern. Hengste brauchen viele geistige Anreize, damit keine Langeweile aufkommt. Ausserdem haben Hengste im Allgemeinen ein höheres Mass an Energie und Einfallsreichtum und entwickeln dadurch auch schneller schlechte Gewohnheiten, wenn sie sich langweilen.

Der Besitz eines Hengstes ist nichts für Wochenend- und Gelegenheitsreiter. Ein Hengst, der in einer herkömmlichen Boxe mit kleinem Auslauf gehalten wird, muss mindestens fünf- bis sechsmal pro Woche geritten oder mit Bodenarbeit beschäftigt werden. Mit andern Worten ist der tägliche konsequente und persönliche Kontakt mit dem Hengst das beste Mittel, um zukünftige Verhaltensprobleme zu vermeiden.

Gamed und Gamal beim spielerischen Kampf auf der WeideHengste werden mit zunehmendem Alter immer streitlustiger. "Gamed" im Alter von 20 und sein Sohn "Gamal Ibn Gamed" im Alter von 4 Jahren verbrachten fast zwei Jahre zusammen auf der Weide - bei Hengsten in diesem Alter eine Seltenheit -, mussten dann aber getrennt werden, bevor sie sich ernsthafte Verletzungen zufügen konnten.

 

Die Mensch-Hengst-Beziehung

Ein Hengst muss verstehen, dass der Mensch in der sozialen Rangordnung über ihm steht. Für eine wirklich gute Beziehung mit einem Hengst muss ihm diese Tatsache mit Entschlossenheit, Konsequenz und spürbarer Zuneigung zur Selbstverständlichkeit gemacht werden. Das sogenannte "Zeig-ihm-wer-der-Boss-ist" hat nun aber nichts mit der Anwendung von roher Gewalt zu tun; im Gegenteil, dies würde nur dazu führen, dass der Hengst sich herausgefordert fühlt und sein Kampfinstinkt aktiviert wird. Und wenn sich ein Hengst einmal entschlossen hat, zu kämpfen, befindet sich der Mensch in höchster Gefahr, ganz zu schweigen davon, dass er ohnehin nie gewinnen wird. Der Hengst hat eine Reihe von Verteidigungsmöglichkeiten wie beissen, schlagen, steigen oder gar überrennen. Seine Waffen sind vor allem die Zähne und Vorderhufe, und was immer er anwendet, kann er dem Menschen lebensgefährliche Verletzungen zufügen.


Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz ...

Der sicherste und wirkungsvollste Weg, um der Vorrangstellung des Menschen Geltung zu verschaffen, ist die hundert-, ja sogar tausendfache Wiederholung kleinster Schritte, bei denen der Hengst jedesmal gehorchen muss. Einige Beispiele: Beim Füttern soll er jedesmal einen Schritt zurück oder zur Seite treten und warten, bis der Mensch von der Futterkrippe wegtritt. Beim Putzen soll er jedesmal mit der Vor- oder Hinterhand ausweichen, wenn der Mensch ihn dazu auffordert. Beim Aufzäumen soll er jedesmal den Kopf senken anstatt ihn hochzunehmen, und beim Führen soll er sich jedesmal in respektvollem Abstand zum Menschen bewegen. Mit der konsequenten Durchsetzung dieser einfachen Anforderungen, wird der Hengst im Laufe der Zeit zur mentalen Überzeugung gelangen, dass der Mensch das "Alpha-Tier" und damit einfach ranghöher ist.

Aber auch das Gegenteil kann geschehen. Jedesmal, wenn der Hengst auf einen Menschen zutritt und dieser weicht aus, wird er in der Meinung bestärkt, dass er in der Hierarchie über dem Menschen steht. Und wenn sich diese Einstellung einmal etabliert hat, wird es von Tag zu Tag schwieriger, das Pferd eines Besseren zu belehren. Der Mensch darf dem Hengst nie erlauben, ihn wegzuschubsen oder gar umzustossen. Das Erkennen dieser und anderer kleiner und grosser Respektlosigkeiten verlangt allerdings viel Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, die Körpersprache der Pferde zu verstehen. Andernfalls ist man eines Tages überrascht, wenn der Hengst versucht, einen aus der Boxe hinauszujagen, beim Aufhalftern an die Wand zu drücken oder beim Führen selbst zu einem wahrhaften Büffel wird.


Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn

Ein anderes wichtiges Merkmal ist bei Hengsten ganz besonders ausgeprägt, und zwar viel stärker als bei Stuten und Wallachen, nämlich ihr strenger Gerechtigkeitssinn! Ein Hengst unterscheidet präzise zwischen dem, was er als Bestrafung auffasst und dem, was er als Misshandlung empfindet. Eine scharfe Zurechtweisung wird er akzeptieren - dies hat er in der Herde schon gelernt -, aber er wird sich aggressiv zur Wehr setzen, wenn er sich misshandelt fühlt. Vielleicht duldet er es einige Zeit, mit einer Kette über der Nase kontrolliert zu werden, und dann beschliesst er unversehens, dass er davon genug hat. Die nächste Person, die ihm dann eine Kette auf die Nase legt, kann überraschend angegriffen werden, wenn der Hengst auf das reagiert, was er als Misshandlung empfindet. Auf das tägliche Training bezogen, heisst das, dass es unerlässlich ist, die Körpersprache des Hengstes zu beobachten, um herauszufinden, wie weit man gehen kann, und wann es Zeit für eine Pause ist.


Dumm: Die Anwendung von Gewalt

In der Bemühung, ihre Hengste zu kontrollieren, greifen die Leute gerne zu einer grossen Vielfalt an Hilfsmitteln, die eines gemeinsam haben: Sie bezwecken, dem Pferd Schmerzen zuzufügen. Beim Führen müssen viele Hengste zeitlebens eine Kette über der Nase, unter dem Kinn oder über der Lippe ertragen. Wird dann an dieser Kette gezogen, übt sie Druck aus auf das empfindliche Gewebe und verursacht wenigstens solange Schmerzen, bis die darunterliegenden Nerven einigermassen abgestumpft sind. Ganze Hundertschaften von "Halfter-mit-Führkette-und-weisser-Gerte"-Anhängern wenden diese Hilfsmittel bei ihren Pferden (nicht nur bei Hengsten) völlig unbedarft an, und mittlerweile ist diese Hirnlosigkeit zu einer weltweiten Bewegung gediehen.

Die Anwendung von Schmerzen zur Kontrolle eines Pferdes verliert mit der Zeit ihre Wirksamkeit. Um den gleichen Grad an Kontrolle aufrecht zu erhalten, müsste der Druck immer weiter verstärkt werden, und damit würde der Drang des Hengstes, dagegen anzukämpfen, immer grösser. Und wenn eine solche Situation eskaliert, ist der Mensch mit Bestimmtheit der Verlierer. Ausserdem fördert die Anwendung von Gewalt unerwünschte Gewohnheiten. Zum Beispiel: Auf das Zerren, Ziehen, Reißen, Rupfen (von den Leuten zwar immer nur als "Zupfen" verharmlost) an einer Führkette , welche über die Nase läuft, reagiert das Pferd (gleich wie beim ruckartigen Ziehen mit den Zügeln) reflexartig mit dem Hochnehmen des Kopfes. Wird weiter "gezupft", kann es passieren, dass der Hengst mit den Vorderhufen abhebt, steigt, dabei vielleicht dem Menschen noch einen Schlag versetzt, sich losreisst und wegrennt...

Ziel sollte es vielmehr sein, dass der Hengst aus mentaler Überzeugung auf den Menschen eingeht, und nicht, weil dieser ein mechanisches Instrument besitzt, welches ihm die vermeintliche Sicherheit gibt, Kontrolle über das Pferd zu haben. Diese Geräte, seien es eben Ketten, karottenfarbene Stecken, weisse Gerten, speziell geknüpfte Halftern, welche neuerdings sogar auf wiederum spezielle Akupressurpunkte drücken sollen, sind heutzutage zwar sehr in Mode gekommen, täuschen aber darüber hinweg, dass eine wirklich gute Mensch-Hengst-Beziehung nur mit viel Sachkenntnis und einem stetigen Bemühen um gegenseitiges Sich-Verstehen erreicht werden kann.

Werner Meier mit Gamed on der Freiheitsdressur Steigen ist eine Angriffs- oder Verteidigungshandlung des Hengstes, mit der er dem Menschen lebensgefährliche Verletzungen zufügen kann (Foto: B. Schlatter)


 

 

 

 

 


Unterbringung im Pensionsstall

Einen Hengst in Pension zu geben kann mitunter ein schwieriges Unterfangen sein. Auch wenn der Pensionspreis in Anbetracht des grösseren Aufwandes bei Hengsten höher angesetzt werden kann als bei Stuten und Wallachen, lehnen viele Pensionsställe Hengste grundsätzlich ab. Andere nehmen sie zwar auf, obwohl sie nicht über geeignete und sichere Einrichtungen verfügen. Bei anderen wiederum wären die äusseren Voraussetzungen zwar ideal, aber leider ist das Personal unerfahren im Umgang mit Hengsten oder schlecht instruiert.

Das heisst, dass bevor man sich für einen Pensionsstall entscheidet, sollte man die Betriebsangehörigen sorgfältig unter die Lupe nehmen. Wenn man bedenkt, dass Pferde dauern dazulernen, ist es sehr wichtig, zu wissen, was für Leute täglich mit dem Hengst umgehen werden. Behandeln sie ihn aggressiv, wird er entsprechend reagieren, sind sie unsicher oder ängstlich, wird er sie nicht ernst nehmen, haben sie ein strenges, aber gerechtes Auftreten, wird er sie als ranghöher akzeptieren.

Wenn der Hengst gelernt hat, anständig geführt zu werden, ist es wichtig, dass das Personal sein Training nachvollziehen kann und nicht einfach aus Gewohnheit eine Führkette verwendet. Ausserdem sollte sicher sein, dass die Anweisungen des Besitzers bezüglich Umgang geachtet und unbedingt befolgt werden.


Haltung in Eigenregie

Viele Leute meinen, das Pensionsstall-Problem umgehen zu können, indem sie ihren Hengst in einem Privatstall unterbringen, wo sie ihn selbst betreuen können. Aber gerade auch in solchen vielfach kleinen Betrieben fehlt es oft an geeigneten Einrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen. Wo immer man einen Hengst unterbringt, sind die Haltungsbedingungen zuerst sorgfältig zu begutachten.

Wie jedes Pferd braucht auch der Hengst eine Boxe möglichst mit angrenzendem Auslauf oder einen Offenstall mit Wetterschutz und trockener Einstreu. Ist er unmittelbar neben anderen Pferden untergebracht, sollten die Boxen durch stabile Wände getrennt sein. Sind sie mit Gittern versehen, müssen deren Stäbe so nahe beieinander sein, dass die Pferde nicht mit Kopf oder Hufen hängen bleiben können. Ausserdem verhindert eine angemessene Höhe, dass die Pferde weder hinüberspringen noch sich ernsthaft verletzen können.


Sehr wichtig: der Nachbar

Für das Wohlergehen des Pferdes und für das Verhalten namentlich des Hengstes ist entscheidend, wer die meiste Zeit neben ihm verbringt. Es gibt Hengste, welche sich aufgrund eines ungeeigneten Boxennachbarn derart aufregen, dass sie aufhören zu fressen, Körpergewicht verlieren, agressiv und bei der Arbeit unkonzentriert werden.

Je nach Geschlecht des Boxennachbarn wird sich der Hengst anders verhalten. Hengste unter sich kommen im allgemeinen gut miteinander aus, falls keine Stuten im selben Stall Rivalitäten auslösen können. Stellt man eine Stute neben einen Hengst, wird sich dieser anfänglich ziemlich aufregen, bis sie ihm zu erkennen gibt, dass sie im Augenblick nicht viel von ihm hält. Hengste und Stuten geben mit ihrer Körpersprache dem Boxennachbarn zu verstehen, woran er mit ihnen ist, und dies gibt unserem Hengst eine gewisse Sicherheit und Ruhe. Ganz anders kann er bei Wallachen reagieren. Während sich Hengste "in die Brust werfen", mit aufgewölbtem Hals versuchen, einander Eindruck zu machen, wird eine Stute - falls sie nicht gerade rosst - mit zurückgelegten Ohren und allenfalls einem Schlag mit den Hinterhufen gegen die Wand signalisieren, dass er sie in Ruhe lassen soll. Ein Wallach jedoch - vor allem, wenn er früh kastriert wurde - mag womöglich überhaupt keine "pferdegemässe" Reaktion zeigen. Die herausfordernde Körpersprache des Hengstes wird er zwar registrieren, aber keinen Grund finden, darauf einzugehen, was jenen zuerst unsicher und später äusserst agressiv machen kann.

Es lohnt sich immer, genau zu beobachten, wie wohl sich zwei Pferde nebeneinander fühlen. Der Zustand der Einstreu am frühen Morgen gibt reichlich Aufschluss darüber. Eine grosse Unordnung lässt auf Aufregung und Unruhe schliessen. Blieb auch noch das Futter unangerührt, drängt sich ein Umstellen der Pferde unbedingt auf. Denn ein zufriedenes Pferd ist nicht nur ein besserer Partner, sondern bleibt auch widerstandsfähiger und letztlich länger gesund.

Hengst in der Stallhaltung mit AuslaufJe "unkomplizierter" ein Hengst neben anderen Pferden gehalten wird, desto ausgeglichener wird sein Verhalten sein


 

 

 

 

Auslauf und Bewegung

Die nächste Entscheidungsfrage betrifft die Fläche des Auslaufs, welche gross genug sein muss, um den Hengst zu ermuntern, herumzulaufen, zu galoppieren und sich zu beschäftigen. Auch bei schlechtem Wetter ist es unabdingbar, ihn einige Stunden hinauszubringen, selbst wenn es nur in einen Round Pen oder auf einen Paddock ist. Niemals darf er einen ganzen Tag lang in einer fensterlosen Box eingesperrt bleiben. Es sollte jede Anstrengung unternommen werden, seinen natürlichen Lebensbedürfnissen so gerecht wie möglich zu werden. Er braucht Raum, um zu rennen und Weide, um zu grasen.


Optimale Sicherheit: Zwei Zäune

Die Einzäunung ist ein weiterer Sicherheitsaspekt und verdient deshalb grösste Beachtung. Wenn der Hengst von seiner Weide aus andere Pferde sehen kann, sind einige besondere Vorkehrungen zu treffen. Schliesslich gilt es ja meistens, zu verhindern, dass sie sich zu nahe kommen. Für Hengste eignet sich ein Elektro-Zaun besser als jede andere Konstruktion. Der Respekt vor einem elektrischen Schlag, gegen den er letztlich nicht kämpfen kann, ist grösser, als vor einem massiven Zaun, den er mit genügend Kraft umzudrücken oder zu durchbrechen vermag. Optimale Sicherheit wird erreicht, indem man zwischen den beiden Weiden nicht nur einen Zaun, sondern deren zwei - mit einer mindestens drei Meter breiten Zone dazwischen - anlegt. Denn sobald Hengste Nasenkontakt mit anderen Pferden haben, schlagen sie oft reflexartig mit einem Vorderhuf nach vorn, bleiben damit im Zaun hängen, zerreissen ihn und verletzen sich...

Eine Einzäunung dient aber nicht nur dazu, um den Hengst von anderen Pferden fernzuhalten, sondern hat auch die Funktion, ihn selbst von den Stuten abzuschirmen. Es ist unglaublich, was eine Stute während der Rosse alles unternehmen kann, wenn ihr Verlangen, gedeckt zu werden, zu gross wird. Ist ein Hengst in der Nähe, kann sie versuchen, unter dem Zaun durchzukriechen, darüber hinwegzuspringen oder ihn zu demolieren. Auch in dieser Hinsicht ist ein Elektro-Zaun die beste Lösung.


Weidekameraden

Wenn überhaupt möglich, sollte auch ein Hengst einen Weidegefährten haben. Dies macht ihn nicht nur ausgeglichener, sondern beugt auch manchen Verhaltensproblemen vor. Ob man einen andern Hengst, einen Wallach oder gar eine Stute dafür auswählt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Wie schon früher erwähnt, ist die Streitlust zwischen Hengsten naturgemäss ausgeprägt. Besonders, wenn in der Nähe weidende Stuten zu Rivalitäten Anlass geben, können sie sich gegenseitig massive Verletzungen zufügen. Auch bei der Haltung zusammen mit einem Wallach ist darauf zu achten, dass der Hengst keine Stuten ins Blickfeld kriegt. Wenn nur eine davon rosst, kann es geschehen, dass er den Wallach angreift, um ihn von ihr wegzutreiben, und falls der Kampftrieb des Hengstes besonders stark ist, wird er den Wallach vielleicht übel zurichten oder durch den Zaun hindurchjagen.

Die Haltung gemeinsam mit einer Stute ist eher die Ausnahme. Wenn sie nicht tragend ist und kein Fohlen kriegen soll, darf die Stute nur ausserhalb der Rosse mit dem Hengst zusammen sein. Ausserdem sollte sie einerseits nicht aggressiv, andererseits aber gross, stark und unerschrocken genug sein, um den Hengst zurechtzuweisen, wenn er grob zu werden droht. Da Stuten unerwünschte Annäherungen grundsätzlich mit den Hinterbeinen abwehren, versteht es sich von selbst, dass sie dort keinesfalls Hufeisen tragen dürfen!

Weidehaltung für HengsteEine doppelter Zaun dient nicht nur dazu, den Hengst von anderen Pferden fernzuhalten, sondern hat auch die Funktion, ihn selbst von den Stuten abzuschirmen.


 

 

 

 

Hengste in der "Öffentlichkeit"

Es gibt keinen Grund, warum ein richtig trainierter Hengst in irgendeiner Situation nicht ebenso gut kontrolliert werden könnte wie ein anderes Pferd. Ob wir ihn auf der Stallgasse zwischen bewohnten Boxen durchführen, ob wir uns mit ihm einer Stute im Deckstand nähern oder ob wir ihn "nur" in Gesellschaft mit anderen Hengsten, Stuten und Wallachen reiten, stets wird bei solchen Gelegenheiten die Qualität seiner Erziehung auf die Probe gestellt. Zugegeben, es braucht viel Arbeit, Zeit und ein konsequent durchgeführtes Konzept, will man seinen Hengst leicht, ohne Gewalt und unter fast allen Umständen kontrollieren können, aber das Ziel ist eine Herausforderung und erreichbar.


Verantwortlich ist immer der Mensch

Für den Besitzer gilt die Faustregel, dass sein Hengst so wohlerzogen sein muss, dass kein Aussenstehender mehr erkennt, dass es sich überhaupt um einen Hengst handelt. Sein Betreuer oder Reiter muss ihn anfänglich so beschäftigen und auf Übungen konzentrieren, dass er davon abgelenkt wird, von anderen Pferden Notiz zu nehmen. Im Laufe der Zeit wird die Gesellschaft anderer, auch fremder Pferde für ihn zur Selbstverständlichkeit werden.

cht mit HengstWelches ist der Hengst? Ein gut trainierter Hengst sollte andere Pferde ungeachtet des Geschlechts in seiner Nähe dulden, ohne sich auffällig oder gar aggressiv zu gebärden.

 

 

 

 

 

Eines sollte sich jeder Besitzer immer bewusst sein: Wo immer er mit seinem Hengst in der Öffentlichkeit auftritt, ständig ist er für seine "Aktionen" verantwortlich, d.h. auch für die Sicherheit seiner Umgebung. Falls der Hengst ausser Kontrolle zu geraten droht, liegt es am Besitzer, ihn aus der heiklen Situation zu entfernen.

Nur zu oft hört man Betreuer oder Reiter von weitem rufen: "Achtung, bitte Platz machen, ich komme mit einem Hengst!" Leute, welche meinen, dass jedermann das Feld räumen müsse, wenn sie mit ihrem Hengst auftauchen, sind - im besten Fall - nur rücksichtslos. Im schlimmeren Fall sind sie jedoch verantwortungslos, weil sie andere Pferde mitsamt ihren Reitern gefährden. Sie sind sich oft gar nicht bewusst, dass sie für alle Schäden und Unfälle, ausgelöst durch ihren Hengst, haftbar sind. Die späteren Argumente "Er hat sich einfach losgerissen..." oder "Er ist gestiegen, und ich bin hinuntergefallen...", werden nicht helfen, sich der Verantwortung und damit der Haftung zu entziehen.


Kontrolle mit Verstand

Zuallererst sei nochmals in Erinnerung gerufen: Solange man vom Boden aus keine hundertprozentige Kontrolle hat, ist es Leichtsinn, zu meinen, man hätte sie dann vom Sattel aus. Ein Hengst, der an der Hand nicht auf uns eingeht, wird es unter dem Sattel noch viel weniger tun!

Wie schon früher erwähnt, hängt eine sichere Kontrolle nicht von der "Schärfe" der Ausrüstung ab, sondern von unserem Verstand, richtig damit umzugehen. Bis man sich in der Öffentlichkeit mit seinem Hengst wirklich gut fühlt, ist es nicht sinnvoll, ihn am berühmten "seidenen Faden" präsentieren zu wollen. Genauso verfehlt ist es aber, ihn, bzw. seine Nase mit einer Führkette zu traktieren. Ein bewährtes Mittel zur präziseren Kontrolle findet sich in einer richtig verschnallten D-Ring-Trense, deren Ringe unter dem Kinn mit einem ca. 12 bis 13 cm langen Riemchen verbunden sind, welches ein Durchziehen der Trense durch das Maul verhindert. Der Führstrick wird wie ein Zügel auf einer Seite im Trensenring eingehängt, was eine laterale Kontrolle des Kopfes ermöglicht und so den berüchtigten "Nussknackereffekt" ausschliesst. Will nun der Hengst zur Seite ausbrechen oder nach vorne drängen, kann man ihm den Kopf sanft aber nachdrücklich zur Seite nehmen und ihn dadurch - ohne mit ihm zu kämpfen - in gewisser Weise aus dem Gleichgewicht bringen.


Reiten in der Gruppe oder an Wettbewerben

Beim Reiten in Anwesenheit anderer Pferde sollte sich ein gut trainierter Hengst genauso anständig benehmen wie ein gut trainierter Wallach. Er sollte andere Pferde ungeachtet des Geschlechts in seiner Nähe, und zwar rund um sich herum, dulden, ohne sich auffällig oder gar aggressiv zu gebärden.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, dass man den Hengst schon von jung an mit der Gegenwart anderer Pferde vertraut macht, Veranstaltungen besucht, ihn auf Abreitplätzen auf die Probe stellt und ihn jedesmal, wenn er zu sehr von seiner Umgebung abgelenkt wird, mit Übungen beschäftigt und damit seine Aufmerksamkeit wieder auf den Reiter lenkt.

Denn dass ein Hengst sich von anderen Pferden immer wieder ablenken lässt, liegt in seiner Natur. Sein Besitzer, der Turniere reiten möchte, muss deshalb wissen, dass er während einer Prüfung womöglich nur mit siebzig Prozent der Leistungsfähigkeit seines Hengstes rechnen kann. Dies wiederum bedeutet, dass sein Hengst um fünfzig Prozent höhere Leistungsreserven als die übrigen Pferde mitbringen muss, damit er nicht nur zuvorderst platziert werden kann, sondern dass auch Aussenstehende jemals merken, dass ein Teil seiner Gedanken noch bei einer ganz bestimmten Stute auf dem Abreitplatz war...

Ausritt zu Zweit mit Hengst und StuteEin Ausritt zu Zweit soll auch mit einem Hengst unbeschwerte Freude bereiten...
(Foto: M. u. H. Dossenbach)


 

 

 

 

 

 

 

Beissen - natürlich, aber weder angenehm noch akzeptabel

Wie bereits früher erwähnt, haben die Zähne als Waffen bei Hengsten eine weitaus grössere Bedeutung als bei Stuten. Daher gehören Beissen und Zuschnappen auch zu angeborenen Instinkthandlungen eines Hengstes. Aber auch wenn ein bestimmtes Verhalten natürlich ist, braucht es der Gesundheit des Menschen noch lange nicht zuträglich zu sein und heisst nicht, dass wir einfach damit leben müssen. Denken wir dabei auch an den Fluchtinstinkt und das damit verbundene "Durchbrennen" oder den Kampftrieb, der sich im "Steigen" manifestiert. Und wenn eine Gewohnheit tatsächlich gefährlich und daher unerwünscht ist, liegt es an uns, sie unter Kontrolle zu bringen. Beissen ist dabei keine Ausnahme.

Das Beste ist zweifellos, dem Beissen zuvorzukommen, bevor es passiert. Und hierzu haben sich ein paar Methoden ganz besonders bewährt. Zuallererst muss man einmal unterscheiden zwischen dem spielerischen, aber trotzdem sehr lästigen Schnappen und Kneifen und dem ernsthaften kämpferischen Beissen. Beides sind nicht nur unangenehme, sondern auch gefährliche Angewohnheiten, welche wir unbedingt unterbinden müssen.

Falsch wäre, dem Zwicken mit Drohgebärden oder einem Schlag oder "Nasenstüber" zu begegnen. Das entspräche genau der Manier der Spielkameraden auf der Weide. In Kürze wird es ihm viel Spass machen, uns zu necken, auf unsere Reaktion zu warten, auszuweichen, um gleich wieder von vorne zu beginnen.


Aufdringlichkeit mit Aufdringlichkeit "belohnen"

Um dem aufdringlichen Kneifen beizukommen, kann man beispielsweise vor allem dem Kopf des Hengstes mehr Aufmerksamkeit schenken, als dieser eigentlich sucht. Je mehr man sich seinem Kopf widmet, desto eher wird er versuchen, sich unserer "Aufdringlichkeit" zu entziehen. Dass Hengste äusserst gesellige Tiere sind und mehr Aufmerksamkeit erheischen als Stuten und Wallache, wurde früher schon betont. Wenn wir ihnen nun noch mehr davon geben, als sie verlangen, werden sie aufhören, sich immer und überall in den Vordergrund zu drängen. Sobald uns Maul und Nase zu nahe kommen, reiben wir diese überschwenglich, und zwar so lange, bis er seinen Kopf zur Seite nimmt. Wir wollen ihm dabei keineswegs weh tun, sondern ihn nur ein wenig "nerven". Sobald seine Nase wieder kommt, wird sie erneut gerieben, bis er merkt, dass er sich selbst eine unangenehme Situation schafft.

Karrikatur - Beissender Hengst beim HifschmiedFalls der Hengst an allem, was ihm vor die Nase kommt, knabbern will, sei es eine Jackentasche, ein Hemdärmel, eine Gerte, ein Strick oder auch mal ein Stück von einer Hand, ist es am einfachsten, wenn man ihn gar nicht nahe genug an all die Gegenstände der Versuchung herankommen lässt. Dies bedingt allerdings wiederum, dass er konsequent lernen muss, den Individualabstand vom "Alpah-Tier" Mensch immer zu respektieren.


 

 

 

 


Arbeit als "Therapie"

Wir können seiner unerwünschten Angewohnheit aber auch insofern etwas Positives abgewinnen, indem wir sie jedesmal zum Anlass nehmen, an einer kleinen Aufgabe zu arbeiten, von der wir möchten, dass er sie besser macht. Zum Beispiel fordern wir ihn jedesmal, wenn er zu lästig wird, auf, zwei Schritte seitwärts nach links zu machen, dann zwei Schritte seitwärts nach rechts, dann zwei Schritte vorwärts, zwei rückwärts und zuletzt stehenzubleiben, während wir uns ein paar Schritte von ihm entfernen. Und dann kommt das Wichtigste, nämlich die Belohnung! Mit der Belohnung zum richtigen Zeitpunkt können wir sein Interesse an dem, was wir von ihm verlangen, steigern und damit von seinem leidigen Benehmen ablenken.

Mit dieser Arbeit verfeinern wir nicht nur seine Manieren an der Halfter, sondern erziehen uns selbst dazu, seine überschüssige Energie anstelle einer Bestrafung in sinnvolle Beschäftigung zu investieren.

Wir behandeln ihn nicht grob, sondern geben ihm einen Job!

So wird er bald herausfinden, dass er jedesmal arbeiten muss, wenn er zu aufdringlich wird, und dass es leichter ist, seine Nase in gebührendem Abstand zu halten.


Beissen als Kampfhandlung

Wenn ein Pferd nun tatsächlich beisst, d.h., wenn es sein Maul auch nur ein wenig öffnet und mit den Zähnen droht oder gar zuschnappt, ist dies als Kampfhandlung zu betrachten. Beissen in diesem Sinne ist das gefährlichste, was ein Pferd dem Menschen zu bieten hat und ist praktisch vergleichbar mit einer Kriegserklärung...

In einem solchen Augenblick muss man ganz kurzfristig selbst handeln, als ginge es um Leben und Tod, wobei zwei Regeln zu beachten sind: Erstens darf auch jetzt nicht kopflos drauflosgeschlagen werden, weil Unbeherrschtheit zwangsläufig zu Verletzungen führt. Zweitens ist es wohl gestattet, die Fassung zu verlieren, zu brüllen, zu schreien, zu treten und das Pferd ganz davon zu überzeugen, dass wir es umbringen könnten - aber nur für drei Sekunden! - dann ist der Krieg vorbei. Wir beruhigen das Pferd und uns selbst, liebkosen es und benehmen uns, als wäre der Zwischenfall nie passiert.


Vorbeugen ist besser als später verzweifeln

Den meisten Fällen, wo ein Pferd - auch ein Hengst - beisst, liegt ein Fehler der Betreuer zugrunde. Vielleicht haben sie damals die Spielereien des Fohlens noch nicht ernst genommen, vielleicht fanden sie es süss, wenn es seine Nase immer zuvorderst hatte und sich da und dort mit den Zähnen an einer Jacke festhielt, vielleicht haben sie sich aber auch zuwenig gewissenhaft mit dem Jungpferd beschäftigt.

Später fehlte es vermutlich am korrekten Verhalten dem Hengst gegenüber, an einer gerechten Strenge und zwar im täglichen Kontakt, sowie an den drei wichtigsten Dingen im Umgang mit Pferden schlechthin:
Konsequenz, Konsequenz und Konsequenz...

 




"Stallions" - by Dan Roberts

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